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Empire St. Pauli – von Perlenketten und Platzverweisen

Irene Bude und Olaf Sobczak, D 2009, ca. 90 min, Mini-DV, DF

 

Die Makler pfeifen es schon lang von den Dächern: St. Pauli ist in. Und während vor allem im Sommer zahlreiche „Mega-Events“ Zehntausende ins Viertel spülen, Neubauten und Luxussanierung neue solvente Mieter und Käufer finden, müssen andere leise weichen: diejenigen, die unter steigenden Mieten leiden, oder denen ihre vertrauten Eckkneipen genommen werden. In »Empire St. Pauli«, von der GWA St. Pauli produziert, kommen diverse St. Paulianer und Nicht-St. Paulianer zu Wort: Anwohner, Angestellte, Künstler, Gastwirte, Braumeister, Großinvestoren, Sozialarbeiter, Hoteliers, Rechtsanwälte, der Bezirksamtsleiter… Aus den zahlreichen Interviews entsteht eine Art Mosaik über die Gentrifizierung des Stadtteils: die Neubauten auf dem ehemaligen Astra-Brauerei-Gelände, die verschwundenen Prostituierten in der Hopfenstraße, die Lokalkneipen „Tippel Inn“ und „Holstenschwemme“…

 

Gäste: Irene Bude und Olaf Sobczak

 

 

Statement von Irene Bude und Olaf Sobczak zu ihrem Film »Empire St. Pauli - von Perlenketten und Platzverweisen«:

 

„Hauptmelkzentrale St. Pauli“

Im globalen Städte-Wettbewerb setzt sich Hamburg in Konkurrenz zu anderen Metropolen. Stadtentwicklung soll günstige Standortfaktoren für Unternehmen, Investoren und Touristik gewährleisten. St. Pauli ist das Aushängeschild Hamburgs. „Warum ist St. Pauli und der Hafen für uns in der touristischen Vermarktung so wichtig?“, fragt eine Mitarbeiterin der Hamburg Tourismus GmbH. „Sie bringen die meisten Besucher: 20 bis 25 Millionen Besucher jährlich“. Auf zahlreichen Großevents wie Hafengeburtstag, Harley-Davidson-Days, Schlagermove, Cruise Days oder Welt-Astra-Tag können sich die TouristInnen auf St. Pauli amüsieren. Für die BewohnerInnen des Stadtteils bedeutet dies zusätzlich Lärm, Vermüllung sowie Einschränkung und Privatisierung des öffentlichen Raums.

 

„Die Leute raus – Mieten hoch – Bumm - ganz normal Kapitalismus oder wie sagt man“

Hamburgs berühmtester Stadtteil St. Pauli war lange auch der ärmste. Mittlerweile leben und arbeiten hier jedoch immer mehr Gut- und Bestverdienende. Die sozialen Gegensätze verschärfen sich.

Der Film zeigt, dass St. Pauli nicht nur als Ausgeh- und Amüsierviertel, sondern vor allem als Wohn- und auch Wirtschaftsstandort attraktiv geworden ist. Altbauten verschwinden oder werden aufwändig saniert, das Mietniveau steigt rasant, Mietwohnungen werden in Eigentumswohnungen umgewandelt. Das ist Gentrifizierung.

 

„Sie sind hier und wir gehen nicht weg!“

Im Film wird exemplarisch am Großprojekt des Brauquartiers der Industriewandel und Gentrifizierungsprozess aufgezeigt. Auf dem ehemaligen Brauereigelände wurden über 350 Millionen Euro investiert, der Astra-Turm wurde abgerissen und wieder aufgebaut, in das Bürogebäude „Atlantic-Haus“ ist Deutschlands größte Werbefirma BBDO eingezogen, hochwertige Genossenschafts-Wohnungen und das Hotel „Empire Riverside“ sind entstanden. Einkommensstarke Haushalte ziehen in die neuen Wohnungen. Alte Kiezkneipen werden von exklusiver Gastronomie und schicken Cafés abgelöst. Wo bleiben die Menschen, die in den ehemals günstigen Wohnungen lebten und die in den Kneipen für ein 1,50 Euro ein Bier trinken konnten?

 

„St. Paul ist jetzt so wie ich es niemals wollte!“

Derweil kündigt sich mit den Tanzende Türmen schon das nächste Großprojekt mit „St. Pauli-affiner Nutzung“ an: dort wird neben Büroetagen im obersten Stockwerk eine Gastronomie sein, „wo sich vielleicht nicht jeder Bewohner St. Paulis ein vollständiges Essen leisten kann, sicher aber genussvoll sein Bier trinken kann.“

 

Der Film zeigt Auswirkungen der Gentrifizierung auf St. Pauli. Für den Film wurden über 50 Interviews geführt. Es wurde auf ExpertInnen von außen verzichtet. Verschiedenste St. PaulianerInnen kommen zu Wort: AnwohnerInnen, Angestellte, KünstlerInnen, Gastwirtinnen, Braumeister, Großinvestoren, SozialarbeiterInnen, Hoteliers, RechtsanwältInnen, der Bezirksamtsleiter und viele mehr. So bildet der Film jenseits von Rotlicht, Kleinkriminellen und Arme-Leute-Klischee ein vielfältiges Meinungsspektrum ab.

 

www.empire-stpauli.de

 



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