Mo 27.4. | 19 Uhr | Lichtmeß


Dacia Express

Michael Schindegger, Österreich 2008, 55 min, Digibeta, OmU

 

In den Abteilen des „Dacia Express“, der Zugverbindung zwischen Bukarest und Wien, treffen sich Menschen, die aus verschiedenen Gründen unterwegs sind. Wir begegnen Vater und Sohn auf dem Rückweg aus Deutschland, wohin sie einem dubiosen Arbeitsangebot gefolgt waren. Einem Kanadier, der nur wenige Wochen hat, Europa zu entdecken. Einer Frau, die als allein Erziehende, trotz doppelten Studiums, keinen Job in Rumänien findet. Ein Film über Geschichten, Fragen und Vorurteile, die den Weg zwischen Ost und West pflastern.

 

Der Dacia Express, ist die direkte Bahnverbindung zwischen Wien und Bukarest. Der Zug pendelt täglich zwischen Ost und West und durchquert dabei ein Stück Österreichs, ganz Ungarn und einen Grossteil Rumäniens. Für diese Reise benötigt er ca. 17 Stunden, manchmal auch ein paar mehr.

Der Zug verbindet dabei Regionen, die sich in den vergangenen 80 Jahren weiter voneinander entfernt zu haben scheinen, als sie es geographisch eigentlich sind. Mit der EU- Osterweiterung bekommt diese Verbindung (eine Teilstrecke des legendären Orient Express) eine neue Bedeutung.

 

Der Roma ist gemeinsam mit seinem ältesten Sohn auf dem Rückweg aus Deutschland, wohin sie einem dubiosen Arbeitsangebot gefolgt sind. Sie wurden in einem Münchner Park von ihrem vermeintlichen Arbeitgeber betrogen und sich selbst überlassen. Nun kehren sie mit leeren Händen nach Hause zurück.

Der Kanadier hat nur ein paar Wochen Zeit, Europa zu entdecken. Er war schon in Berlin, Prag, Wien, Budapest. Nun ist er auf dem Weg nach Bukarest, um von dort aus nach Griechenland weiter zu fliegen. Er studiert seinen Europareiseführer intensiv, notiert sich daraus das Wichtigste und überprüft die Informationen mit seinen Mitreisenden.

Frau Elena ist mit ihrem 14-jährigen Sohn unterwegs. Allein erziehend fand sie trotz zweier abgeschlossener Studien keinen Job mehr in Rumänien. Nachdem sie der großen Emigrationswelle nach Spanien gefolgt war, führte ihr Weg letztendlich nach Österreich, wo sie jetzt lebt und arbeitet.

Der Moldauer kommt gerade von einem Vorstellungsgespräch aus Wien zurück, Die Stadt und ihre Leute haben ihm nicht gefallen. Er ist schwer zu beeindrucken und voller Fragen. Wann heiraten Österreicher, wie verbringen sie ihre Freizeit und warum haben die meisten Filme ein offenes Ende?

 

In diesen Stunden des Unterwegsseins lernen sich die Reisenden innerhalb kürzester Zeit kennen, tauschen sich aus, um sich danach wahrscheinlich nie wieder im Leben zu begegnen. Die Waggons wirken dabei wie eine sich fortbewegende Käseglocke unter der die Zeit für den Augenblick der Reise stehen zu bleiben scheint, während sich draußen Landschaften, Architektur und Menschen verändern. Wann die Fahrt dabei in welche der beiden Richtungen geht wird irgendwann zur Nebensache.

Die Reisenden begegnen sich mit ihren verschiedenen Sprachen und Vorurteilen, mit ihren Persönlichkeiten und Schicksalen, die sie genauso wie ihr Gepäck versuchen irgendwo in diesem Zug zu platzieren.

 

Die Aufnahmen zu dem Film entstanden während vierzehn verschiedener Fahrten im Zeitraum von zwei Jahren. Der Filmemacher überlies dabei die Auswahl seiner Protagonisten dem Zufall der Platzreservierung genauso wie dem Vertrauen der Mitreisenden. Seine Kamera wird dabei weder unsichtbar noch versteckt (bis auf eine Ausnahme), sondern Teil einer reisenden Schicksalsgemeinschaft.

 



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