Der VW Komplex
Metropolis // Sonntag 10. April // 15.00 Uhr
Hartmut Bitomsky (R), Axel Block (K), D/F 1989, 89 min, dt. OF, 35mm-Projektion
Stärker noch als in seinen früheren Produktionen »Deutschlandbilder« (1983) und »Reichsautobahn« (1985) konfrontiert Hartmut Bitomsky hier Archivmaterial nationalsozialistischer Wochenschauen mit aktuellen eigenen Bildern – in diesem Fall gespenstisch anmutenden Aufnahmen zeitgenössischer Produktionsabläufe innerhalb der Volkswagenwerke. Fehlen auf den Bildern der VW-Gründungsjahre meist die für die Produktion nötigen Arbeiter*innen, so deshalb, weil zwei Drittel der 12.000 Beschäftigten nicht sichtbar werden sollten. Schließlich handelte es sich um Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter*innen oder KZ-Häftlinge. Ganz anders in den Aufnahmen der 80er-Jahre. Hier sind in weiten Bereichen der Produktion die Menschen durch den technologischen Fortschritt verdrängt; als mögliche Protagonisten*innen bleiben nur Maschinen. Bitomsky springt zwischen Zeiten, Orten und inhaltlichen Ebenen. Nicht, weil er den Faden verloren hätte, sondern weil er sich der Aufgabe stellt, ihn immer wieder aufzugreifen innerhalb eines weitverzweigten Gefüges.
„Keiner im Werk konnte sachverständigen Aufschluß darüber geben, wie das Werk funktioniert und in welchem Zusammenhang die Funktionen zu sehen sind. Daß es funktioniert und daß es in einem Zusammenhang funktioniert, liegt auf der Hand. Ein Komplex ist eine undurchsichtige, verwickelte Hyperaktivität um eine fatale Stelle – ein Defizit, das nicht hochkommen soll, sondern unten bleiben, wo der Schaden unbehoben ist.“ (Hartmut Bitomsky)
Hartmut Bitomsky ist Filmemacher und Filmproduzent. Zu seinen jüngeren Produktionen zählen »B52« (Berlinale 2001) und »Staub« (Filmfestspiele Venedig 2007). Mitherausgeber der Zeitschrift „Filmkritik“ (1974-1985), Leiter School of Film/Video CalArts (1993-2006), Direktor der dffb (2006-2009). Diverse Schriften zur Theorie und Praxis des Dokumentarfilms.
Volko Kamensky ist Filmemacher und bildender Künstler. Zu seinen Produktionen zählen »Divina Obsesión« (1999), »Alles was wir haben« (2004) und »Oral History« (2009). Mehrfache Zusammenarbeit mit Julian Rohrhuber zur Theorie und Praxis des dokumentarischen Filmtons, u.a. als Herausgeber des Sammelbandes „Ton. Texte zur Akustik im Dokumentarfilm“ (2013). Kamensky lehrt an der Kunsthochschule Kassel.
Filmgespräch mit Diskussion und Gästen Hartmut Bitomsky und Volko Kamensky.