Do 11.4. | 18 Uhr | Lichtmess


Technik des Glücks

Chris Wright/Stefan Kolbe, D 2003,

68 Min.

 

Ein besonderer Film der ersten Hamburger Dokumentarfilmwoche. Ein bizarrer Essay, der uns staunend zurücklässt. Ein junger Mann aus Manchester kommt um die Jahrtausendwende in die ostdeutsche Industrieprovinz. Sein Großvater suchte als englischer Bomberpilot nach dem Kraftwerk Zschornewitz. Die Bomben verfehlten ihr Ziel, und das Kraftwerk wurde im Sozialismus eines der größten des gesamten Ostblocks, eine babylonische Industrieanlage. Dann kam der Kapitalismus und schaffte, was den englischen Bomberpiloten nicht gelang …

Heute ist das Kraftwerk futsch, und die Menschen hocken auf der Straße. Unter den Arbeiterinnen im Werk gab es zu DDR-Zeiten eine tatkräftige Hobbydokumentaristenszene mit Schmalfilmkameras. Volkseigene Filmerfahrung, die auch beim Abriss des Werks zum Tragen kommt. Ungeduldiges Zelluloid – in gebrochenem Manchester-Ton kommentiert.

 

Gäste: Chris Wright und Stefan Kolbe (angefragt)

 

Film-Website

 

Früher gab es das Kraftwerk Zschornewitz. Tausende machten hier aus Kohle Strom. Mit der DDR verschwand das Kraftwerk und mit ihm die Arbeit. Es blieben die Amateurfilme der Kraftwerker. Gefilmte volkseigene Erfahrung. Im Dialog mit diesem Material entsteht eine Vision ausgelöschter Vergangenheit und fehlender Zukunft. Das kleinere private Glück neben dem großen, nicht eingelösten Versprechen.

 

Ein junger Mann aus Manchester kommt zur Jahrtausendwende in die ostdeutsche Industrieprovinz. Er sucht nach dem, was hier schon sein Großvater im Krieg suchte und nicht fand. Auch er findet es nicht, dafür aber das kollektive Abbild der Vergangenheit und Gegenwart auf Schmalfilm und Videobändern – gefilmte volkseigene Erfahrung. Er bleibt am Ort und wird Weihnachten nicht zu Hause in England sein.

Was als Film wie ein Briefroman anfängt, ist die Geschichte von der Geschichte des Kraftwerkes Zschornewitz, des einstmals größten Kohlekraftwerkes der Welt. Als es noch da war, fiel es keinem im Ort auf. Es war selbstverständlicher Mittelpunkt des Lebens. Es war Heimat. Tausende machten hier aus Kohle Strom. Das Werk und die Menschen, die Menschen und das Werk. Die Zeit blieb stehen. Doch mit dem Zusammenbruch der DDR und der Einführung der Marktwirtschaft verschwand die Arbeit. Man wurde nicht mehr gebraucht. Auch die alten Aufnahmen der filmenden Kraftwerker wurden Abfall und landeten im Keller, gelagert als konservierter Müll.

 

Was bleibt. Der Ofen war aus. Die Wärme ist weg. Das Kraftwerk wurde gesprengt. Das Ende einer Epoche. Das Leben geht weiter. Es ist die Kunde von einem verlorenen Land, jenseits der Agitation. Bilder aus der Produktion. Unverstellt zeichnen die Amateure mit deutscher Liebe zum Detail ihren Alltag. Es wird mit Kohle geheizt und der Schornstein raucht. Alles war Arbeit. Die Welt würde gerechter sein und ihre Ordnung haben. Niemand sollte mehr und keiner weniger haben.

Es ist die Beschreibung einer besonderen Mentalität. Menschen in ihrer Sehnsucht nach Geborgenheit in der Gemeinschaft. Das kleinere private Glück neben dem großen, nicht eingelösten Versprechen. Der langsame Lauf der Dinge. Es ging alles seinen sozialistischen Gang. Das schöne Märchen von Fortschritt, Glück und Glauben.

Im Dialog mit dem Material der filmenden Kraftwerker entsteht eine Vision von ausgelöschter Vergangenheit und fehlender Zukunft. Eine Bestandsaufnahme über Hoffnung und Verlust. Mit der Wiedererweckung der magischen Momente, jener proletarischen Kultur, arbeitet der Film assoziativ verdichtend mit Lücken, Brüchen und Sprüngen. Wie hat es sich eigentlich zugetragen? Eine Archäologie des Lebens dort, damals und eben noch.

»Technik des Glücks« berichtet uns von dem Traum, den man zusammen träumen wollte. Wir finden, er verdient es, im hier und heute nacherzählt zu werden. (Martin Otting)

 



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