Do 11.4. | 20.30 Uhr | Lichtmess


Jona (Hamburg)

Peter Ott, D 2005, 84 Min.

 

»Jona (Hamburg)« ist das radikale Portrait einer randständigen Existenz. Der Filmemacher begleitet den Ex-Junkie Werner Wieser zu verschiedenen Knotenpunkte der Drogengeografie Hamburgs. In dem Maße aber, in dem der Film die Persönlichkeit des Süchtigen entwickelt, zerfällt die Persönlichkeit des Filmemachers. Es stellt sich heraus, dass dessen Auftrag weiter geht: Er hat der verkommenen Stadt Hamburg ihren Untergang zu verkünden, falls sie weiterhin ihren gottlosen Weg verfolgt. Hamburg ist in den neun Jahren seit Erscheinen des Films dem Untergang nähergekommen …

„Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich finde diese Welt in einem beschissenen Zustand. Wirklich. An dieser Gegenwart ist alles falsch. Dieser totalitäre Druck zur Anpassung, ohne zu wissen an was: zum Kotzen. Ich kann die Drogenfresser gut verstehen, eine andere Wahrnehmung der Welt ist möglich.“ (Peter Ott)

 

Gäste: Peter Ott und Werner Wieser (letzterer angefragt)

 

Info und Fotos

 

Diskussionsprotokoll Duisburger Filmwoche 2004

 

 

Dokumentarische Beobachtungen, Tagebuch-Aufnahmen und inszenierte Situationen sind im Film »Jona (Hamburg)« verschränkt.

Woher, fragt sich der Filmemacher, kommt die Angst dieser Tage, und wieso äußert sie sich speziell bei ihm derart, dass die Stimme, die ihn immer wieder aufgefordert hatte zu handeln, plötzlich verstummt ist. Er beschließt, endlich wieder was zu machen, und wenn keine Institution ihn damit beauftragt, in Gottes Namen in eigenem Auftrag. Die ersten Versuche, sich der Drogenszene am Hamburger Hauptbahnhof zu nähern, scheitern kläglich. Der Graben zwischen der liberalen Mittelklasse, zu der er sich zählen würde, und den Ausgestoßenen ist zu tief.

Dann aber trifft er auf Werner. Werner besticht durch seine Ausstrahlung. Er ist ein offener Mensch, der sich in den über 30 Jahren seines Aufenthaltes in der Drogenszene seine Warmherzigkeit bewahrt hat. Nach kurzer Verhandlung über die Bezahlung ist der Vertrag perfekt.

Der Filmemacher ist euphorisch. Der Kontakt ist da. Das Filmemachen geht wieder los.

Dummerweise lässt er aber gleich am nächsten Tag seine Kamera bei seinem Vater liegen. Das löst etwas Unvorhergesehenes aus: der Vater, früher Pastor und jetzt Patient mit akuter Paranoia, verlässt die Psychiatrie. Nach kurzer Zeit trifft beim Filmemacher eine Videocasette ein. Es ist eine Art Brief des Vaters.

Der Vater eröffnet seinem Sohn, dass er einen prophetischen Auftrag habe: Er müsse der Stadt ihr Unheil verkünden, falls sie sich Gott nicht wieder zuwendete. Vor diesem Auftrag könne der Filmemacher nicht davonlaufen, wenn er das Schicksal der Stadt nicht teilen wolle.

Der Filmemacher leiht sich eine andere Kamera, um seinen Film voranzubringen. Aber der Kontakt zu den Dealern kommt nicht zustande, weil diese nicht gefilmt werden wollen. Vor dem „Drob- Inn“, einer Hamburger Hilfseinrichtung mit Druckraum, hat der Filmemacher zu viel Angst. Anderes wiederum funktioniert: Werner führt den Filmemacher durch die Drogengeografie Hamburgs und es gibt längere Gespräche über die Sucht, den Rausch und die Repression.

Der Vater indes wird ungeduldig angesichts der Arbeit seines Sohnes. Er könne doch das Elend nicht aufheben, indem er es dokumentiere. Er erinnert ihn in mehreren Videobriefen an seinen Auftrag und leitet die Widersprüche der Stadt aus theologischer Sicht her. Auch Werner wird immer ungeduldiger. Er ist ziemlich krank und möchte endlich die Premiere des Filmes feiern. Es gibt Streit. Der Filmemacher ist an eine Grenze gelangt, die er erst überwinden kann, als er seinem prophetischen Auftrag nachkommt.

 



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