
Sa 12.4. | 20 Uhr | B-Movie
![]() | ![]() |
![]() |
Assessment
Mischa Hedinger, CH 2013, 49 min, schweizerdt. OmeU
Assessment bedeutet im Englischen „Prüfung“ ebenso wie „Einschätzung“ und „Bewertung“. Bei einem Assessment werden in der Schweiz Menschen auf ihre Fähigkeit zur Wiedereingliederung in den regulären Arbeitsmarkt geprüft. Die Betroffenen benötigen die staatliche Unterstützung, sie sind traumatisiert, erkrankt oder haben schwere Unfälle erlitten. Sie treffen auf Vertreter*innen der Sozialversicherungen und des Sozialdienstes: Schicksale werden nach den Anforderungen des Allgemeinen eingeschätzt, Biografien taxiert, Leben sollen einen Sinn ergeben. In wenigen Einstellungen fängt die Kamera Situationen ein, in denen das Selbstverständnis des modernen Sozialstaats am Individuum verhandelt wird.
„In »Assessment« sitzt der Zuschauer mit am Tisch und nimmt teil am Geschehen. Er schätzt die Situation ein, beginnt sich in die Lage der Betroffenen zu versetzen oder beurteilt die Situation aus Sicht der Assessoren. Machtfragen tauchen auf, Abhängigkeiten werden deutlich. Die Botschaft liegt in der Beobachtung, im genauen Hinschauen.“ (Mischa Hedinger)
Gast: Mischa Hedinger
Hamburg-Premiere
„Carte Blanche“ - Nachwuchspreis des Landes NRW, Duisburger Filmwoche 2013
Jurybegründung:
Situationen transparent machen; erkennen, was sich dem Auge entziehen will; einblicken, um Handeln zu ermöglichen. So lauten einige der wichtigsten Losungen des Dokumentarischen. So lauten aber auch die Arbeitsvorgaben zahlloser staatlicher Kontrollinstanzen, die sich im Dienst des Gemeinguts meinen. Sehen, als soziale Praxis, heißt Kontrolle, Abgleich, Prüfung. Für den Filmemacher, den wir auszeichnen, ist das kein Sündenfall des Dokumentarischen, sondern Arbeitsgrundlage.
Der Film, der uns hier auf ihn aufmerksam gemacht hat, beobachtet Beobachter bei ihrer Arbeit: In einstündigen Sitzungen soll geklärt werden, ob Menschen wieder Leistung tragen können, wie sie sollen. Ein Optimierungs-Schauspiel mit mäßigem Erfolg: Selbstentfaltungs- Floskeln laufen ins Leere, Machtdynamiken werden von der Kamera entziffert, Misstrauen ist die Konstante. Zugleich werden wir vom Wissen der Institutionen versucht, selbst ins Begutachten zu verfallen. "Assessment", so heißt der Film, prüft auch unseren eigenen Willen zum Ressentiment. Und Mischa Hedinger, so heißt der Filmemacher, empfiehlt sich nicht bloß als findiger Beobachter und hinterlistig präziser Erzähler. Er denkt und untersucht die Zumutungen neoliberal durchformter Realität von der Wahrnehmungs- und Machtmaschine Film her. Diese Klammer zeigt sich, blickt man auf frühere Arbeiten zurück, als durchgängige Handschrift und zentrales Interesse Hedingers. Wir sind gespannt, was als nächstes kommt.
Teaser "Assessment" from Mischa Hedinger on Vimeo.