donnerstag, 12.4., 21:00
Preview:
too much future – punk im osten
von Carsten Fiebeler, BRD 2006, 93 Min., 35mm oder Beta
Gäste: Anke Wiesenthal, Michael Boehlke, Henryk Gehricke
Vor 30 Jahren malträtierten in England die ersten Punks ihre Gitarren und fassten ihr Lebensgefühl mit "no future" schlüssig zusammen. Im Osten kam der Punk zehn Jahre später an, und das Problem derer, die sich ihm anschlossen, lag eher in einem "too much future". Ansonsten entwickelte sich der Ostpunk – zumindest äußerlich – ähnlich: wilde Musik nach dem Motto "Jeder, der kann, darf. Wer nicht kann, darf auch". Zerschlissene Lederjacken, aufgestellte Haare (zumindest, solange es nicht regnete), Doc Martens (von Oma aus dem Westen besorgt), Hippies doof finden, Pogen, Abhängen, seine Jugend verschwenden (DAF). Und doch war der Ostpunk anders. Carsten Fiebelers Film porträtiert ihn als eine Bewegung, die "einsam hochgekommen und einsam gestorben ist". Die kluge, teils rhythmische Montage (Anke Wiesenthal aus Hamburg) aus Erinnerungen der Protagonisten von damals, Archivmaterial (darunter Ausschnitte aus Klassikern einer Super-8-Avantgarde) und Musik gerät nicht in die Nähe von "Weißt-Du-noch"-Nostalgie und pittoreskem DDR-Gekitsche. Sie erzählt von Menschen, die verzweifelt darum kämpften, "Eigenwesen" sein zu dürfen, ohne dafür kriminalisiert zu werden. Dabei klammert er Widersprüche innerhalb der Szene, so zwischen Akademikern ("Zwitschermaschine") und "Schlachthofarbeitern" ("Betonromantik", "Schleimkeim") oder Berlinern und den Leipziger "Messestadtpunks" ("Wutanfall"), keineswegs aus. Er zeigt, wie aus einer Attitüde der Ablehnung ein politisches sowie künstlerisches Programm wurde und welch existenzieller Preis vom einzelnen dafür zu zahlen war. Und was bis heute gilt: "Krieg, Tod, Aufstehn, wieder hoch." (Barbara Wurm, DOK Festival Leipzig)
„Der Film beleuchtet auf mitreißende Weise die Punkszene der späten DDR. Er untersucht damit eine bisher vernachlässigte Form des jugendlichen Widerstandes der 80er Jahre – mit eindrucksvollen Protagonisten und cineastischen Mitteln, die dem Thema angemessen erscheinen. Ein kraftvoller Film voller rebellischer Energie.“ (Lobende Erwähnung DOK Leipzig 2006)