Losers and Winners

von Ulrike Franke, Michael Loeken, BRD 2006, 96 Min, 35mm, Dolby SR

 

Gäste: Ulrike Franke, Michael Loeken

 

 

Eineinhalb Jahre lang begleiten die Filmemacher Ulrike Franke und Michael Loeken die Demontage einer gigantischen Industrieanlage im Ruhrgebiet und dokumentieren Geschichten entlang ihres Verschwindens: Nach nur acht Jahren Betriebszeit wurde die 650 Millionen Euro teure, hypermoderne Kokerei Kaiserstuhl im Dezember 2000 stillgelegt. Im Frühjahr 2003 kommen chinesische Arbeiter im Blaumann auf das kolossale Werksgelände und malen Schriftzeichen auf Stahlträger und Wände. Im Dortmunder Norden entsteht ein neuer Mikrokosmos, ein eigenes Stück China – dynamisch und effektiv. Für rund 400 Chinesen wird ein Wohncontainerdorf mit Aufenthaltsräumen, eigener Großküche inklusive Riesenwoks und Satellitenschüssel fürs Heimatfernsehen errichtet. Hungrig nach Reichtum und Statussymbolen der westlichen Industriestaaten, sind neben dem chinesischen Projektleiter Mo Lishi, einer jungen Übersetzerin und ein paar Köchen unzählige Demontagearbeiter nach Deutschland gekommen, um ihrem Heimatland ein weiteres "Souvenir aus Stahl" zu bescheren. Hoch motivierte Menschen aus einem Niedriglohnland treffen auf finanziell abgesicherte, aber perspektivlose Arbeiter einer Industrienation; deren einstige Quelle von Macht und Wohlstand installieren die Chinesen nun kurzerhand bei sich zu Hause. Losers and Winners rückt die gegenwärtigen Bedingungen globaler Arbeitsteilung in ungewohnte regionale Perspektive. Die desillusionierten Koker im Pott, die den Abbau logistisch unterstützen sollen, erleben die Ankunft und Arbeitsweise der Chinesen und sehen mit der Demontage auch ihren Stolz schwinden. Zwei Welten treffen aufeinander, die Verständigung ist kompliziert und Missverständnisse an der Tagesordnung. Mit Feingefühl, detailliertem Blick und Sinn für unfreiwillige Komik verfolgen die Autoren den Abbau. Sie zeigen die Belastungen und Konflikte in der 60-Stunden-Woche der chinesischen Arbeiter fernab ihrer Heimat und ihrer Familien, zwischen Zukunftseuphorie und Zweifeln sowie dem immensen Druck der Konzernleitung. Die deutschen Koker müssen sich hingegen damit abfinden, dass es in der hiesigen Gesellschaft für sie keine Arbeit mehr gibt. Unsicherheit macht sich breit, was die anstehenden Veränderungen konkret für das eigene Leben bedeuten: Wie beschäftigt man sich, und wie hält man z.B. die neue permanente Nähe zu seiner Frau aus? Losers and Winners ist großartiges politisches Erzählkino in dokumentarischem Gewand, das den Clash der Kulturen zum Gradmesser globaler ökonomischer Verschiebungen macht.

 

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