Dienstag, 17.4., 21 Uhr
Shoah and Pin-ups
von Reinhild Dettmer-Finke, BRD 2006, 88 Min., DV Cam, Dolby SRD
Gäste: Reinhild Dettmer-Finke, Matthias Reichelt und Rainer Hoffmann
Shoah und Pin-ups ist der provozierende Titel für einen ungewöhnlichen und daher besonderen Dokumentarfilm, den die Freiburger Filmemacherin Reinhild Dettmer-Finke in Zusammenarbeit mit dem Publizisten Matthias Reichelt und dem Hamburger Kameramann Rainer Hoffmann über Boris Lurie gedreht hat. Er erzählt von dem Tabubruch, den der 80-jährige New-Yorker NO!-Artist Boris Lurie begeht. Er bringt in seiner Kunst zusammen, was nicht zusammengehören darf: Die Vergasten und die Nackten, die Shoah und die Pin-ups. Keine perverse Kunst, sondern Ausdruck einer perversen Gesellschaft, findet Lurie. Boris Luries NO! ist Programm: NO! zu den Erwartungen des Kunstmarktes. NO! zur bürgerlichen Wohlanständigkeit! NO! zur erwarteten Opfermentalität. Er diente sich in den 60ern nicht den New Yorker Galerien und dem Kunstmarkt an, der vom abstrakten Expressionismus und der Pop-Art bestimmt wurde.
"Es ist verboten, schön zu malen": Das hat Boris Lurie nicht nur von Goya gelernt. Lurie hat die Konzentrationslager Stutthof und Buchenwald überlebt. Seine Großmutter, Mutter und eine Schwester wurden 1941 in Rumbula bei Riga zusammen mit 21 000 anderen Juden erschossen. Dabei hätte er gerne Angenehmes gemalt, so, wie die Impressionisten. Aber etwas hat ihn immer daran gehindert. Diesem Etwas gilt die filmische Spurensuche. Eine langsame Annäherung an einen nicht eben zugänglichen Menschen an. Behutsam tastet sich die Kamera am Anfang durch Luries abenteuerliche Behausung in der Lower Eastside. Sie begleitet ihn auf den Straßen Manhattans und nach Woodstock, wo sein listiger Freund Rocco Amento Äxte in Baumstümpfe schlägt und stecken lässt. Action Sculpture nennt er das. Auch ein Beitrag zu NO!-Art. Aus dieser unvorstellbaren Fülle von Lebensspuren spinnt sich allmählich der rote Faden eines abenteuerlichen Lebens, spinnt sich an der eindrucksvollen Stimme Luries entlang, der raucht und raucht und raucht und dabei stückweise seine Biographie preisgibt.